Zehennägel schneiden ohne Stress   
    Text:       Irene Grether,  Eldorado Alpaca,  Schweiz
                    nach Vorgaben von Marty McGee Bennett

Gedanken zum Thema

Wenn ich jeweils an Kursen nach Wunschthemen frage, sind die Themen "Zehennägel schneiden" und "Füsse hochheben" oft die Spitzenreiter. Dies ist möglicherweise der problematischste Aspekt des Lama/Alpaka-Managements. Zu verstehen, warum es für die Tiere so schwierig ist, zu akzeptieren, dass wir ihre Füsse anfassen, ist schon ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Problembewältigung. Also berichte ich über dieses "warum" ebenso wie über die Technik, wie es zu erledigen ist. Durchleuchtet man die ganze Problematik, findet man schon Gründe, warum es so scheint, als sei es eine grosse Schwierigkeit. Ich bin mit der herkömmlichen Begründung einverstanden, die vertritt, dass Lamas/Alpakas einen natürlichen Widerstand bieten aufgrund ihres "in die Beine beissen" als natürliches Verhalten zwischen Hengsten und auch gegenüber Stuten. Es macht aber nur Sinn, sich auf etwas zu konzentrieren, was wir auch ändern können, instinktive Verhaltensreaktionen eines Lamas/Alpakas können wir aber nicht ändern!! Ich würde das natürliche Verhalten eines Tieres aber auch nicht ändern, selbst wenn ich es könnte! All das "in die Beine beissen" und "mit dem Hals kämpfen" ist ein Teil davon, was es so unterhaltsam macht, die Tiere zu beobachten.

Also, was können wir ändern?
Wir können den Tieren systematisch und mit Logik zeigen, dass wir uns sicher fühlen, wenn wir ihre Beine anfassen, aber dann muss es auch so sein! Unglücklicherweise sind viele Besitzer schon im Voraus der Überzeugung, dass Zehennägel schneiden eine schwierige Sache ist. Sie fixieren das Tier, binden es kurz an oder halten es stark fest. Wir müssen diesem Prozess das Schmerzhafte nehmen und es nicht zu einem Albtraum werden lassen. Vom Gesichtspunkt des Lamas/Alpakas her haben diese dann die verhärtete Meinung, dass Menschen in Verbindung mit Nägelschneiden eine gefährliche Kombination sind.

Aufgrund dieser Überlegungen und Informationen biete ich ihnen nun eine Auswahl an Techniken und Ideen an. Anders als viele andere Methoden bietet die TTEAM-Methode kreative Lernmöglichkeiten und keine 1-2-3 Anleitung. In diesem Sinne wählen sie die eine oder andere Technik aus und probieren sie diese aus, geben sie ihr eine Chance.

Merken sie sich dabei einen ganz wichtigen Grundsatz: "WENN DAS, WAS SIE MACHEN, NICHT FUNKTIONIERT, MACHEN SIE NICHT WEITER!!" Ändern sie etwas!

Permanente Wiederholungen zu einer Idee, das funktioniert nicht, weil sie sonst ihr Lama/Alpaka in allen Arten von Entweichen und Fluchttechniken trainieren. Nicht alle Neuweltkameliden reagieren gleich positiv auf dieselbe Technik, vor allem, wenn es sich um Zehennägel handelt. Versuchen sie neue Sachen oder neue Versionen von alten Techniken. Wenn das, was sie mit dem Tier trainieren, nach ein oder zwei Versuchen nicht funktioniert auf die Art, wie sie es tun wollen, beginnen sie darüber nachzudenken, was sie anders machen könnten. Sie wollen doch nicht etwas üben, das nicht funktioniert ... oder sie üben mit dem Lama/Alpaka genau das, was es nicht lernen soll!!

Balance
BALANCE – BALANCE – BALANCE - Man kann dies gar nicht oft genug in Erinnerung rufen! Der häufigste Grund, warum sich Lamas/Alpakas gegen das Füsse-Heben wehren ist der, dass wir Menschen nicht auf ihr Gleichgewicht achten. Wir heben den Fuss auf und ziehen ihn weg, zur Seite, zu weit nach hinten, zu hoch. Oder wir bringen das Lama/Alpaka aus dem Gleichgewicht, indem wir den Fuss aufheben. Indem wir das tun, geben wir dem Tier das Gefühl, dass es umfallen wird. Es beginnt sich zu wehren und will sein "Gleichgewichts-Utensil" zurück. Wir wollen es aber nicht geben. Was kann das arme Lama/Alpaka da machen?? Es fühlt sich nicht sicher bei unserem Tun und beginnt, eigene Techniken zu entwickeln, wie es als allererstes verhindern kann, dass wir an seinen Fuss fassen können. Ich habe schon viele Lamas gesehen, die ein Bein nach dem anderen blitzschnell unter den Rumpf hochziehen konnten, je nachdem, welches wir anfassen möchten. Selbstverständlich ist auch das Treten eine andere angemessenen Antwort auf eine drohende Gefahr. Alle Beine zusammen mit dem Körper zu bedecken, sich hinzuschmeissen, das ist eine andere Sache, die wir Lamas/Alpakas veranlassen zu tun bei unseren Versuchen, ein Bein zu erhaschen.

Aufbau
Achten sie auf das Gleichgewicht, die Balance ihres Tieres, indem sie ihren Lehrling immer beobachten, während sie mit ihm üben( während sie ihn ausbilden). Wie steht er/sie? Sind alle 4 Beine in einer ausbalancierten Stellung? Gekreuzte Beine, ein sich anlehnendes Tier, alle 4 Beine nach aussen gestellt, hochgezogene Beine – das alles sind Versionen von "aus dem Gleichgewicht sein". Nehmen Sie sich die Zeit, das Tier wieder ins Gleichgewicht zu bringen, bevor sie mit irgendwelchem Training weiterfahren. Die Körpersprache der Lamas/Alpakas gibt ihnen wertvolle Informationen darüber, wann und wie sie mit den Übungen fortfahren können (sollen). Das Gleichgewicht ist ungemein wichtig für das "sich-sicher-fühlen" des Tieres. Wenn sie einen Fuss aufheben, denken sie daran, dass sie den Fuss so bewegen, dass sie dem Lama/Alpaka helfen, sein Gleichgewicht zu finden und zu behalten. Vor allem wichtig ist, dass sie dem Tier seinen Fuss zurückgeben, wenn es seine Balance verliert und sie verpasst haben, ihm rechtzeitig zu helfen, im Gleichgewicht zu bleiben. Fangen sie wieder von vorne an. Der alte Ratschlag, den Fuss energisch festzuhalten, bis das Lama/Alpaka aufhört zu kämpfen, ist vermutlich die am wenigsten nützliche Idee.

Es ist viel einfacher, zu vermeiden, dass das Lama sein Gleichgewicht verliert, indem sie das Bein oberhalb des Handwurzelgelenkes ("Knie" beim Vorderbein) und oberhalb des Sprunggelenkes beim Hinterbein anheben. Sie verringern damit die Hebelkraft und somit den Widerstand. Ausserdem ist es für das Tier so viel einfacher, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Versuchen sie, das vordere Bein hochzuheben, indem sie von der Schulter her dem Bein entlang fahren und gerade über dem Handwurzelgelenk (vord. "Knie") stoppen, mit Druck nach vorne das Bein anheben. Stellen sie sich dabei vor, dem Lama/Alpaka "die Hand zu schütteln". In dieser Position können sie zwar noch keine Nägel schneiden, aber sie lernen das Lama, dass es möglich ist, auf 3 Beinen sicher zu stehen. In der Folge wird es ihnen zu erlauben, das Bein zu halten. Dies ist der sichere Weg zu einem erfolgreichen Ablauf beim Nägelschneiden. Benutzen sie die gleiche Technik für die hinteren Beine. Positionieren sie die eine Hand auf dem Rücken des Tieres, um das Gewicht etwas nach der Seite zu verlegen, auf der sie das Bein nicht heben wollen. Mit der anderen Hand heben sie das Bein über dem Sprunggelenk an. Stehen sie nahe am Tier auf Hüfthöhe, dort kann es sie nicht treffen, falls es auskicken sollte.

Hilfsmittel
Sie können bei ganz "empfindlichen" Tieren auch ein ca. 2.5 m langes Band als Hilfsmittel verwenden, um das Bein aufzuheben. Bilden sie damit eine Schlinge um das Bein, die sie dabei unterstützt, mit den Bewegungen des Tieres mitzugehen und zu vermeiden, dass sie das Tier aus dem Gleichgewicht bringen. Wenn sie Mühe haben, das Band um das Bein anzubringen, machen sie eine Schleife auf dem Boden, manövrieren das Lama/Alpaka so, dass es mit einem Fuss in die Schlinge tritt. Heben sie dann das Band an auf die Höhe des Gelenks, verdrehen sie das Band , dass es nicht wieder herunterrutscht. So können sie nun mit dem Band das Bein anheben. Dies hat den Vorteil, dass das Lama/Alpaka den Fuss immer wieder abstellen kann, ohne dass sie wieder ganz von vorne beginnen müssen, sie haben immer Kontakt mit dem Bein, aber sie müssen das Bein vorerst nicht direkt anfassen. Dieses Hilfsmittel können sie am Vorder- wie am Hinterbein einsetzen.

Nägel kürzen
Wenn sich das Lama daran gewöhnt hat, dass sie sein Bein anheben und es dabei sicher auch auf 3 Beinen sein Gleichgewicht halten kann, können sie auch den Fuss anfassen und die Nägel in die richtige Form schneiden. Denken sie daran, dass sie auch den Fuss nicht zu fest umklammern, sondern nur locker festhalten. Wenn sie den Fuss zu stark festhalten, lösen sie unter Umständen wieder den Widerstand des Lamas/Alpakas aus. Wenn das Tier versucht, ihnen den Fuss wegzunehmen, gehen sie ihrerseits mit den Bewegungen mit. Versuchen sie auf keinen Fall, den Fuss in einer Position festzuhalten, lassen sie los und nehmen sie den Fuss neu wieder auf!

Nägel schneiden, ohne die Füsse hochzuheben
Stellen sie ihr Lama/Alpaka auf ein flaches Holzbrett innerhalb eines begrenzten Bereiches, der möglichst klein sein sollte. Überprüfen sie, dass der Boden stabil genug, sauber und rutschfest ist, damit das Tier sicher darauf stehen kann. Wenn sie Helfer zur Verfügung haben, lassen sie diese das Lama festhalten (nicht fixieren!) und in einer Ecke mit Futter ablenken. Sind keine Hilfspersonen anwesend, sind sie auf einen kleinen begrenzten Raum (Arbeitspanel) angewiesen, der das Lama/Alpaka am Weglaufen oder herumrennen hindert. Wenn sie sich entschliessen, das Lama/Alpaka festzubinden, benutzen sie am Besten einen Raum, der kleiner ist als die Länge des Strickes. Mit anderen Worten: die Abgrenzung soll das Tier "festhalten", nicht der Strick. In diesem Fall soll der Strick das Tier nur daran hindern, sich dauernd umzudrehen.

Sie schneiden die Nägel, ohne den Fuss aufzuheben oder das Bein anzufassen. Tippen od. "klopfen" sie einige Male mit der Nagelschere auf die Nägel, um das Lama/Alpaka auf den das Schneiden vorzubereiten. Dann beginnen sie, die Fussnägel zu kürzen, indem sie zuerst den vorderen Teil von schräg oben gegen den Boden wegschneiden, anschliessend alle anderen Nagelteile, die auch entfernt werden müssen.

Sie werden überrascht sein, wie gut diese Methode funktioniert, vor allem bei Tieren, die uns nicht erlauben, ihre Beine hochzuheben.

Die Lamas/Alpakas reagieren eigenartigerweise kaum auf die Behandlung an den Nägeln, es ist die Berührung an den Beinen und Füssen, die für sie so erschreckend ist. Es war eine überraschende Feststellung, dass auch zappelige Tiere auf das Manipulieren an den Nägeln nicht reagieren, solange man Fuss und Bein in Ruhe lässt. Probieren sie es aus – sie werden überrascht sein! Diese Methode eignet sich auch gut für das Kürzen von sehr langen Nägeln.

Heisse Tips:

Schlusswort:
Ein Lama/Alpaka ist nicht ein Puzzle von Einzelteilen, sondern ein einheitliches ganzes Lebewesen. Bedenken sie, dass sie nicht einerseits eine Ebene des Vertrauens aufbauen können im Bereich der Beine, wenn sie diese Art des Umgangs nicht auch bei allen anderen Handlungen mit dem Tier anwenden. Die Art und Weise, wie sie es einfangen, wie sie ihm ein Halfter anlegen, kurz gesagt, wie sie allgemein mit dem Tier umgehen, beeinflusst seine Bereitschaft, im Bereich der Beine mit ihnen zu kooperieren.

Für jede Person, die Probleme hat mit einem Lama/Alpaka,
gibt es ein Lama/Alpaka, das Probleme hat mit einer Person!

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