Das "schwierige"  Lama oder Alpaca                         von Irene Grether

                  

 

<<Tiere an und für sich sind nicht schwierig, wir wissen nur nicht, wie damit umgehen !!>>

Die meisten Lamas oder Alpacas werden in irgend ein Trainingsprogramm "eingeteilt“, aber manchmal sind sie eben damit nicht einverstanden. Wenn sie sich für eine Trainings-Art entscheiden und diese nun für jedes Lama anwenden, werden sie mit der Ausbildung der meisten Lamas erfolgreich sein. (Der Einfachheit oder Bequemlichkeit halber schreibe ich nur noch "Lama", meine aber selbstverständlich damit auch die Alpacas – deren Besitzer mögen mir verzeihen!)

Was ist aber mit einem Lama, das besonders schwierig ist? Es ist oft so anders als die anderen und macht uns grosse Sorgen. Was machen wir mit einem Lama, das nicht den Anschein macht, als würde es irgendwas begreifen, das uns einfach nicht "versteht"?
Es spielt keine Rolle, mit welchem Aufwand sie es versuchen, wie oft sie Ihre Forderung dem Tier gegenüber wiederholen, wie geduldig sie sind – dieses Lama widersetzt sich dem Training! ... Was kann man da machen?
Gut... sie könnten es verkaufen - nicht so eine grossartige Idee, wenn sie entweder über des Lamas Zukunft oder Ihren guten Ruf besorgt sind.
Sie könnten jemand anderen mit mehr Erfahrung mit der Ausbildung beauftragen. Das Problem mit diesem Vorgehen ist die Tatsache, dass SIE ja letzten Endes weiterhin mit dem betreffenden Tier umzugehen haben.
Vielleicht könnten sie es aber auch mit einer anderen Ausbildungs-Methode versuchen. Dieser Versuch könnte den Weg ebnen für ein neues Verhalten, das beide aus der Tretmühle von "Nicht-Erfolg-haben" befreit.

Ziemlich oft sind schwierige Lamas diejenigen, welche ihre Besitzer zu einem meiner Kurse "bringen". Die von mir praktizierte TTEAM-Methode hat sich schon oft sehr erfolgreich bewährt, vor allem auch beim Ausbilden von schwierigen Tieren.
Dafür gibt es verschiedene Gründe:
Die TEAM-Methode ist kein A-B-C-D Lehrgang. Wenn eine Trainingseinheit nicht funktioniert, setze ich eine andere ein. Meistens ist es nämlich der Fall, dass das Tier nicht versteht, was ich von ihm verlange. Es kommt eher selten vor, dass das Tier nicht will und sich mir bewusst widersetzt. Auf jeden Fall vermeide ich mehrfache Wiederholung!
Eine allgemeine Hauptregel besteht darin, dass ich bestrebt bin, dem Tier verständlich zu machen, was ich von ihm erwarte. Dazu setze ich eine Auswahl an "Tools" (versch. Übungs-Möglichkeiten/Ideen) ein.
Es kann nicht von einem Lama erwartet werden, dass es sich einer Trainingsmethode anpasst, die Trainingsmethode muss entsprechend dem Lama angepasst werden können, sodass es für das Lama möglich ist, die Ausbildung "auszuhalten".

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, unter denen man auswählen kann. Die TTEAM-Methode braucht vielleicht  etwas mehr Zeit zum Lernen, aber in der Anwendung beim Tier sparen sie diese Zeit vielfach wieder ein. Vor allem im Umgang mit schwierigen Lamas werden sie herausfinden, dass eine adäquate Ausbildung mit der TTEAM-Methode ihnen sehr viel Zeit ersparen wird.
Ich bekomme oft Telefonanrufe von Personen mit problematischen Lamas und Alpacas. Die Besitzer haben an/mit diesen Tiere schon verschiedene Sachen ausprobiert. Meistens sind es klare, offensichtliche Gründe für die Schwierigkeiten.
Ich habe während meiner Tätigkeit erfahren, dass schwierige Lamas meistens schon von Geburt an so sind. Ihr unangenehm instinktives Verhalten, die fehlende Toleranz, Ihre Überempfindlichkeit oder auch Nervosität bringt viel Kummer in ihr Leben.

Es ist nicht unüblich bei zwei Tieren, die in der gleichen Umgebung leben, dass sie auf dieselben Angelegenheiten auf eine vollständig verschiedene Art reagieren.
Sinnen sie kurz über die Menschen in ihrem Umfeld nach, sie werden dort Parallelen finden.
Wie viele von ihnen haben Brüder und Schwestern, die exakt so sind wie sie? Wie viele von ihnen haben Kinder grossgezogen auf dieselbe Art und Weise – nur herausgekommen sind zwei ganz verschiedene Kinder. Sicherlich gibt es Menschenfamilien, die aussehen und agieren wie wenn sie mit einer Ausstechform produziert worden wären, und es gibt Zuchthengste und/oder Zuchtstuten oder Zuchtkombinationen, da scheint  die Nachzucht sehr einheitlich zu sein – seien das nun gute oder schlechte Eigenschaften.

Möglicherweise ist die wirksamste Hilfe, die ich zum Arbeiten mit schwierigen Lamas oder Alpacas anbieten kann, der Hinweis, dass sie ihre Sichtweise, wie sie die Tiere sehen, ändern sollen. Das Tier wird sich nie ändern, SIE können aber lernen, damit umzugehen!!
Ich persönlich finde problemlose Lamas langweilig zum Trainieren, die Schwierigeren sind diejenigen, welche mir die Gelegenheit zum Lernen neuer Techniken bieten und mich herausfordern, existierende Sachen zu verfeinern.
Problemlose Lamas und Alpacas sind sehr nett und wir alle sollten mit einigen von der Sorte "gesegnet werden". Aber es sind die schwierigen Lamas und Alpacas, welche uns die Details, wie man mit Tieren umgeht, lehren!

Mit vielen Tieren können sie in einer sehr unbekümmerten, schlampigen, nachlässigen, ja sogar törichten Art und Weise umgehen, und sie werden sogar für ihre mangelndes Geschick mit deren Gleichmut entschädigt. Schwierige Tiere bestehen darauf, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf das richten, was sie machen, diese erinnern sie sofort, wenn sie schlampig, unvernünftig, in Eile, oder "out of ballance" (unausgeglichen) sind. Diese Lamas  verlangen, dass sie ihr Können verfeinern und machen aus ihnen einen besseren Ausbildner (Trainer).
Die Lektionen, die sie von diesen herausfordernden Lamas lernen, werden ihnen viel Zeit retten bei der Ausbildung von jedem anderen Tier, mit welchem sie sich beschäftigen werden.

Gemäss meiner Erfahrung haben schwierige Tiere gemeinsame Charaktereigenschaften, welche sie schwierig machen. Sie mögen eine oder mehrere der folgenden Tendenzen aufweisen:

1. Sehr intelligente, kontrollorientierte Tiere
Diese Lamas fassen alles sehr schnell auf und finden sofort heraus, wie nicht gewollte Sachen zu vermeiden sind. Sie fühlen sich nicht sicher, bevor sie genau wissen, was vor sich geht und reagieren nicht gut auf "gezwungen werden". Wiederholung ist sehr verzwickt mit diesen Lamas, weil sie werden sehr schnell herausfinden, wie sie vermeiden können, etwas zu tun, was sie nicht wollen.
Je öfters sie etwas wiederholen, was die Lamas nicht machen wollen, desto erfinderischer werden diese in Vermeidungs-Techniken.
Positive Eigenschaften dieser Lamas: Sie können diese angeborene Intelligenz zu ihrem Nutzen einsetzen, wenn sie die Tiere auf ihre Seite bringen. Ein humorvoller Pluspunkt: solche Lamas lassen sich nicht schlagen, da sie immer dafür sorgen. dass sie gar nicht so nahe an sie rankommen – so kommen Sie absolut nie in Versuchung !?!

Empfehlung/Ratschlag 
Vermitteln und "erklären" sie die Übungen sehr klar und einfach, vornehmlich am Anfang. Arbeiten sie in der Gegenwart von anderen Lamas, die wissen, was zu tun ist. Versuchen sie alles, damit die Tiere nicht  frustriert werden. Setzen sie all die verschiedenen Techniken ein, die sie kennen, versuchen sie auf keinen Fall, Gewalt anzuwenden!
Arbeiten sie auf jeden Fall in einem kleinen "Arbeitspanel". Teilen sie die Aufgaben in kleine Teile auf und vermeiden sie die Wiederholung von irgendetwas, was nicht funktioniert!
Gestalten sie die Lektionen/Übungseinheiten kurz und interessant. Loben sie ausführlich !!

 2. Nicht so intelligente Tiere
Diese Lamas schaffen es nicht so schnell, um A und B zusammenzubringen, sie benötigen sehr viel Klarheit. Einige haben Schwierigkeit, sich über längere Zeit zu konzentrieren, andere schwimmen einfach mit dem Strom, oder sie sind eben nicht besonders intelligent. Als positives Merkmal sind diese Tiere oft sehr treu und willig. Wenn sie einmal verstanden haben, was wir von ihnen verlangen, führen sie diese Sachen sehr gewissenhaft aus. Sie sind oft absolut gute Lamas für Kinder, weil sie dazu neigen, sich langsamer zu bewegen und bedächtiger zu reagieren.

Empfehlung/Ratschlag
Verringern sie im Umgang mit diesen Tieren das Arbeitstempo und geben sie ihnen Zeit zum Denken. Gehen sie langsam vorwärts, schaffen sie Gewissheit, dass sie keine Lerneinheiten überspringen.
Wenn solch ein Lama langsam geht oder kaum vorwärts kommt über Hindernisse, gehen sie der Versuchung aus dem Weg, an seinem Kopf zu ziehen/zerren!!
Im Besonderen diese Tiere haben Schwierigkeiten, sich auf mehr als nur eine Sache zu konzentrieren. Wenn sie jetzt an ihrem Kopf ziehen, dann ist es das, worüber sie sich Gedanken machen, womit sie sich beschäftigen ... und nicht damit, schneller zu gehen oder über ein Hindernis zu steigen!! Am Kopf ziehen dreht wie die Lichter aus. Dies gilt eigentlich für alle Lamas, aber ganz besonders zutreffend ist es für diese Art Lama. Denken sie auch daran, ruhig zu atmen! Fügen Sie neue Aufgaben mit Professionalität hinzu, honorieren sie, was ihr Lama soeben bewältigt hat – unwichtig, wie einfach es sein mag! Diese Tiere benötigen Zuversicht/Vertrauen, es ist ihr Lebenselixier. Beurteilen sie diese Lamas nicht nach dem Standard all der anderen, die sie schon ausgebildet haben – lassen sie auch diesen die Möglichkeit, erfolgreich zu sein!

3. Vespannte, gestresste Tiere
Dabei handelt es sich um Lamas und Alpacas, welche sehr viel Spannung in ihrem Körper tragen. Diese Tiere sind so nervös, dass sie Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren und etwas auszuführen. Sie sind sehr anfällig für stressbedingte  Krankheiten, wenn sie zu heftig oder zu lange angetrieben werden.
Wir können es erreichen, diese Energie positiv nutzen zu können. Wenn diese Tiere lernen, sich zu entspannen – dann können sie alle ihre zusätzliche Energie in Ausdauer umwandeln, und oft sind diese dann sehr gute Lamas für aktive Beschäftigungen.

Empfehlung/Ratschlag 
TTEAM-Körperarbeit ist die richtige "Eintrittskarte" zu diesen Tieren, damit können wir einen adäquaten Kontakt zu ihnen aufbauen. Mit den entsprechenden "Touches" das Maul "bearbeiten", auch Kiefer, Ohren, Nacken, Hals und Schweif. Die meisten auf diese Art schwierigen Lamas spannen sich instinktiv an, wenn ein Mensch näher kommt als der  Armlänge-Sicherheitsabstand. Indem sie TTEAM-Körperarbeit einsetzen, können sie wahrscheinlich ein beängstigendes Verhaltensmuster "umschalten" und eine Vertrauensebene herstellen! Plötzlich hilft eine menschliche Berührung, sich zu entspannen, und das macht sie für das Lama somit viel interessanter.
Vergewissern sie sich, dass sie bewusst atmen und konzentrieren sie sich darauf, dass das Lama seine Balance gefunden hat, bevor sie mit der Körperarbeit beginnen. Wenn es nötig ist, bieten Sie am Anfang etwas Futter an, um das Lama zu ermutigen, sich freiwillig hinzustellen für gewisse Tätigkeiten.
Besondere Beachtung gebührt der Schweif-Arbeit. Oft hilft eine gefaltete Wolldecke über der Rückenlinie, mehr Arbeit auf dem Rücken und am Schweif zu tolerieren. Denken sie daran, den Schweif in einer Linie mit dem Körper zu halten. Heben Sie den Schweif sanft an, drehen/rotieren Sie ihn ringsherum um den Schweifansatz. Als nächstes geben Sie etwas Zug auf den Schweif (in gerader Linie zum Rücken). Sie werden sehen, Ihr Lama wird sich tatsächlich in diesen Zug legen und dagegen ziehen – der Rücken wird gestreckt – und das entspannt die Muskulatur!!
Ich habe herausgefunden, dass Lamas ( und auch andere Tiere), welche besonders nervös und verspannt sind, diese Schweif-Arbeit wirklich schätzen und dankbar sind für die Möglichkeit, sich mit dieser Hilfe entspannen zu können.

4. Instinktiv reagierende Tiere

Diese Lamas reagieren sofort, schnell und hart!

Sie sind gefangen in gewohnheitsmässig angeborenen Reaktionen und wirken nicht so, als wären sie fähig, überhaupt zu denken. Das sind die Lamas, die anscheinend verrückte Sachen machen, auch wenn sie sich dabei Schmerzen zufügen oder sich verletzen. Sie springen aus dem Pferch/Panel, rennen in Sachen rein und wollen sich nicht beruhigen. Es ist nicht wichtig, wie oft sie mit ihnen arbeiten, diese Tiere sehen nie so aus, als würden sie sich bessern.
Als positiven Effekt machen diese Lamas aus ihnen einen besseren Ausbildner und eine verständnisvollere Person. Wenn dieses Tier einmal versteht, was man von ihm will, ein wenig Vertrauen entwickelt und realisiert, dass es denken kann -  dann wird dieses Lama aufhören, schwierig zu sein!

Empfehlung/Ratschlag 
Im Gegensatz zu dem, was sie eventuell denken, müssen sie sehr schnell arbeiten mit solchen Tieren, die einzelnen Arbeitsschritte sollen nahtlos aneinandergereiht werden. Viele Menschen denken: "Dieses Lama ist so ängstlich, ich muss besonders langsam machen um zu vermeiden, dass es erschrickt!". Aber das macht alles nur noch schlimmer. Bloss im Panel zu stehen ist zu nervig, so springt es raus oder konzentriert sich nur darauf, unten durch oder oben drüber zu kommen.  Denken sie mal darüber nach. Wenn sie in einem Raum wären mit einer fremden Person und sie hätten keine Ahnung, was diese von ihnen will, wie würden sie sich fühlen, wenn diese Person bloss dastehen und sie anglotzen würde?
MACHEN SIE ETWAS ... IRGENDETWAS !! Wenn sie in den Panel gehen, müssen sie sofort aktiv werden! Gehen sie wohlüberlegt von einem Schritt zum anderen in ihrem Ausbildungsprogramm. Denken sie daran, hörbar zu atmen . Atmen ist besser als zu plappern!
Üben sie zuerst mit einfacheren Lamas, wenn sie das können. Wenn nicht, üben sie in ihrem Kopf, bevor sie hineingehen. Sie müssen genau wissen, was sie im Panel vom Tier verlangen wollen, um unverzüglich mit den Übungen beginnen zu können. "Fehltritte" in ihrer Konzentration werden leider das Fehlverhalten des Lamas bestärken. Bereiten sie kurze Übungseinheiten vor, machen sie mit kleinen Leckerbissen ihren Lehrling aufmerksam auf sich und muntern sie ihn auf, zu atmen - das wird helfen. ATMET !! Oft halten wir vor lauter Konzentration den Atem an – dies verunsichert das Tier, weil es nicht weiss, was das bedeuten soll!

Allgemein gesagt haben Problem-Tiere die grössten Schwierigkeiten am Anfang des Trainings. Es sieht so aus, als dauere es ewig, dass sie etwas lernen und auch nur die einfachste kleinste Sache akzeptieren... wenn sie es aber einmal verstanden haben, wenn es bei ihnen "klick" gemacht hat, dann werden genau diese Tiere sie oft überraschen, indem sie die anderen Tiere überholen, die am Anfang der Ausbildung weniger schwierig waren.
Die Wirklichkeit ist doch, dass sie nicht Lamas aufziehen mit dem Ziel, zu diesen in den Stall laufen zu können und ihre Tierpartner kommen dahergerannt, lecken ihr Gesicht und fragen, was sie tun können, um ihnen den Tag zu versüssen. Wenn sie diese Charaktereigenschaften suchen, dann suchen Sie vielleicht besser einen gutmütigen Hund. Lamas und Alpacas auszubilden ist nicht so einfach, weil diese nicht besonders daran interessiert sind, Menschen zufrieden zu stellen, und schwierige Lamas sind besonders willensstark. Ausbilden ist ein Prozess. Mit dem Tier zu lernen, zu erleben, was das Lama bei jeder Übungseinheit versteht, bereitet viel mehr Freude als nur der Wunsch, mit der Ausbildung fertig zu sein.

Denken Sie daran: 
Auf jeden Menschen, der Probleme mit einem Lama hat gibt es ein Lama, das Probleme mit einem Menschen hat!!
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